Sommerausflug zur Museumsinsel Hombroich

Es ist Sonntag, 12 Uhr. Wir brechen von der Kreisgeschäftsstelle in Neuss mit dem Fahrrad in Richtung Neusser Südwesten auf. Unser Ziel: Museum Insel Hombroich. In kleiner Runde treffen wir am Haupteingang den Künstler und Kunstdozenten Hans-Willi Notthoff, der uns für rund eineinhalb Stunden über das faszinierende Gelände der wortwörtlichen Erft-Insel führt und uns die Werke der prägenden Künstler vor Ort, Erwin Heerich, Gotthard Graubner und Anatol Herzfeld sowie die Visionen des Landschaftsplaners Bernhard Korte näherbringt.

Zunächst klärt uns Notthoff über die Hintergründe zum Sammler und Gründer Karl-Heinrich Müller und zur Idee „Kunst parallel zur Natur“ auf, welche die Entstehungsgeschichte des Areals geprägt hat. Müller erwarb die Landschaft, die ursprünglich einem Landsitz einer Industriellenfamilie gehörte, im Jahr 1982.

Eine große Besonderheit der verschiedenen Gebäude auf dem Gelände ist, dass sie nicht von Architekt*innen, sondern von Künstler Erwin Heerich entworfen wurden. Die Plastiken folgen ihren eigenen Regeln und Gesetzen. Besonders eindrucksvoll ist der sogenannte „Turm“, der keine weiteren Exponate beinhaltet, sondern als begehbare Plastik in alle vier Himmelsrichtungen über Fenster oder Türen verfügt und die Wahrnehmung von Höhe und Breite sowie Vertikale und Horizontale herausfordert.

Eine Besonderheit bei unserer Führung ist das erst vor wenigen Tagen wiedereröffnete Ausstellungsgebäude „Labyrinth“, das kernsaniert wurde und durch aufwändige energetische Erneuerungen Verbesserungen in Raumklima, Luftfeuchtigkeit und UV-Schutz aufweist. Dieses Objekt noch (fast) ganz ohne Exponate zu erleben, ist ein seltener Umbruchsmoment – ab Herbst kehren die Exponate in exakt der gleichen Weise zurück, wie sie vor der Sanierung ausgestellt waren. Beständigkeit ist ein wesentliches Merkmal der Sammlung auf der Insel Hombroich als Dauerausstellung: Die Kunst bleibt gleich, es wird nichts verändert – die Natur und die Kunst leben parallel weiter. Oft werden heute in diesem Zusammenhang auch die Herausforderungen der Konservierung von Kunstwerken angesprochen. Im Gebäude „Schnecke“ befinden sich Zeichnungen, Aquarelle und Radierungen – u.a. von Paul Cézanne, Constantin Brâncusi, Gustav Klimt, Henri Matisse und Rembrandt – sowie Plastiken – u.a. von Alberto Giacometti und Norbert Kricke. Hier gibt es die meisten witterungsbedingten Änderungen innerhalb der letzten 40 Jahre, so klärt uns wenig später Geschäftsführer Roland Nachtigäller auf. Besonders Papier ist als Material sehr anfällig für Lichteinflüsse und Klimaveränderungen. Wir lernen schnell: „Kunst parallel zur Natur“ bedeutet eben auch, dass die Vergänglichkeit von Material von Anfang an als Bestandteil dieses Konzepts in Kauf genommen wurde.

Zu den Werken auf dem Areal des Museums Insel Hombroich findet man keinerlei Beschriftungen oder Angaben in Form von Infotafeln. Alles ist ohne Kommentar und ohne Erklärung ausgestellt. Dies sorgte zur Eröffnungszeit in den 1980er Jahren bei den Besucher*innen für Verwirrung. Inzwischen gingen die Besucherinnen damit selbstverständlicher um, beobachtet Notthoff. Ein Aspekt, der dadurch im Vordergrund steht, sei die Farb-, Linien- und Differenzwahrnehmung.

„Als Besucherin kann ich mich direkt stärker auf die Werke konzentrieren, ohne lange über deren kunsthistorischen Kontext nachzudenken. Dies ermöglicht einen sehr direkten Bezug zur Kunst und eine intensivere Wahrnehmung und einen Vergleich mit der Umgebung. Auch die Natur des Landschaftsparks kann man ja mit allen Sinnen wahrnehmen. Diese Art der Kunstvermittlung inmitten von Natur ist sehr niedrigschwellig: Sie spricht mehr das Bauchgefühl an, weniger den Kopf oder das Nachdenken“, kommentiert unsere Co-Sprecherin Sarah Clemens.

Neben der als Dauerausstellung konzipierten Insel Hombroich gibt es oberhalb der Insel, im sogenannten Atelierhaus und dem ehemaligen Wohnhaus und Studio von Gotthard Graubner eine Wechselausstellung. Derzeit findet man dort Werke u.a. von Gotthard Graubner selbst, die noch bis zum 03. November zu sehen sein werden. Auch hier gibt es ein hervorragend in Szene gesetztes Wechselspiel zwischen ausgestellten Werken und der sie umgebenden Natur, z.B. in Form vom Blick aus dem Fenster.

Ein weiteres Highlight ist für uns die bemerkenswet „gerahmte“ Aussicht in der „Hohen Galerie“.

Die Zukunft des Museums Insel Hombroich klingt vielversprechend: Geschäftsführer Roland Nachtigäller berichtet von den Herausforderungen und Visionen für die Stätte und verweist auch auf die benachbarte Raketenstation, wo regelmäßig Ausstellungen und Musikkonzerte stattfinden. Aus Nachhaltigkeitsaspekten ist das Museum Insel Hombroich ein Ort im Umbruch hin zu einem klimagerechten Museum: Die Wärmeversorgung soll in Zukunft in erster Linie durch Geothermiefelder (Erdwärme) erfolgen – ein Konzept, das bereits in Teilen, z.B. im neu eröffneten und sanierten „Labyrinth“ umgesetzt wurde. Auch in Bezug auf die konkrete Kunstvermittlung an Schulen sowie die Provenienzforschung geht das Museum unter Leitung von Herrn Nachtigäller wegweisende Schritte nach vorne.

Mit vielen spannenden und wahrnehmungsschärfenden Eindrücken ist unsere kleine Sommerausflugsgruppe schließlich dankbar für Kaffee, Wasser und die gesunden Snacks in der Cafeteria. Bei frischer Brise und strahlendem Sonnenschein verabschieden wir uns voneinander und wünschen allen, die diese Zeilen lesen, eine erholsame und erfrischende Sommerferienzeit.

Wir danken herzlich Hans-Willi Notthoff und Roland Nachtigäller für die Eindrücke und Gespräche.

Sarah Clemens